Ich beziehe mich auf diesen Artikel im CICERO:
http://www.cicero.de/salon/iq-tests-intelligenz-der-mythos-hochbegabung/60823
Ein sehr interessanter Artikel, der den Terminus Hochbegabung an sch in Frage stellt! Ich teile die Meinung Patrick Zielschieds nicht in allen Punkten, finde aber, der Artikel lohnt zu lesen, um ein paar andere Brillen auf das Thema Begabung und Hochbegabung zuzulegen. Auch ich bin der Meinung, dass es Quatsch ist, unter Hochbegabung lediglich kognitive Begabungen zu verstehen und ich bin auch der Meinung, dass eine – wo auch immer gezogene – Grenze von Hochbegabung, Hochsensibilität, Autismus oder "bloß" Asperger oder Lese-Rechtschreib-Schwäche zu einem – wie auch immer definierten – normalen Menschen völlig überflüssig ist.
Wie Hochbegabung getestet wird
Die sogenannte Hochbegabung wird üblicherweise in standardisierten IQ-Test gemessen, in einem festgelegten Zeitraum, an einem festgelegten Ort. Der Test ist genauso ausgelegt und entwickelt, dass ein bestimmter Prozentsatz – derzeit 0,2 % – der Bevölkerung den festgelegten IQ-Wert von 130 erreicht, nicht weniger und nicht mehr Menschen. Es wurde also festgelegt, dass 0,2% der Menschen als hochbegabt zu gelten haben. Bei diesem Testverfahren stehen lediglich die kognitiven Fähigkeit der Testperson im Fokus, wie das logisch-matematische Denken, das räumliche Denken, die Merkfähigkeit oder die sprachlich-lingustistischen Fähigkeiten.
Andere Aspekte geistiger Leistungsfähigkeit, wie die emotionale Intelligenz, die Kreativität, die psycho-motorische Intelligenz oder die sogenannte soziale Intelligenz werden nicht berücksichtigt. Ein Mensch der in diesen Bereichen herausragende Fähigkeiten aufweist wird nicht als hochbegabt bezeichnet, denn diese Fähigkeiten sind nicht messbar. Zum Glück! Denn was würde es bringen, wenn ich wüsste, dass meine musikalische Fähigkeit höher ist, als die meiner Gesangskollegin? Es würde weder mir noch irgendjemandem irgendetwas bringen, meinen musikalischen Intelligenzquotienten zu kennen. Oder meinen sozialen Intelligenzquotienten. Oder welchen auch immer.
Wieviel Kategorisierung brauchen wir?
Es ist meiner Ansicht nach vollkommen überflüssig, alles messen und kategorisieren zu wollen. Wieviele Kategorien würden wir wohl brauchen, um die Vielfalt in unserer Gemeinschaft "messen" zu können? Zig? Hunderte? Würde das reichen? Die Zeit, der Aufwand und das Geld, das solche Bemühungen kosten würde, sollte in Bildungs- und Arbeitssysteme gesteckt werden, die der Individualität des Menschen Rechnung tragen. So dass nicht wertvolle Talente verloren gehen, weil sie in einem defizitär-orientierten genormten Bildungssystem gar nicht abgerufen werden können. Die meisten unserer Kinder haben bereits vor der Einschulung "gelernt", ihre wahren Talente zu verstecken und zu unterdrücken.
Der Fokus liegt oft mehr auf einer Legastenie oder auf einem Aufmerksamkeits-Defizit als darauf, dass dieses Kind vielleicht einen besonderen Draht zu Pflanzen hat und irgendwie versteht, was sie brauchen. Oder dass dieses Kind in seinem Spiel und in seiner Fantasie bereits ganze Städte plant und soziale Konzepte entwickelt.
Wie auch Patrick Ziemmerschied in seinem Artikel schreibt, stelle auch ich mir die Frage, warum im Bildungssystem einem Kind mit Lese-Rechtschreib-Schwäche besondere Nachsicht entgegengebracht werden sollte und einem Kind mit einer anderen sogenannten "Benachteiligung" nicht, wie beispielsweise eine niedrigere Intelligenz oder eine Hochsensibilität oder eine sich heruaskristallisierende Homosexualität. Kein Mensch kann etwas für seine Veranlagung, es ist vollkommen normal, und es wird immer Menschen mit unterschiedlichen Intelligenzen und Konditionierungen geben. Es braucht keine Sonderbehandlung für einzelne Schüler, sondern ein Bildungssystem, dass unserer menschlichen Vielfalt gewachsenen ist. Hierzu braucht es ein Umdenken auf breiter Ebene, das ist keine Bildungsfrage sondern eine Frage der Meinung und der Überzeugung eines und einer Jeden von uns.
Erst wenn wir aufhören, von unserem individuellen Denken und Verhalten automatisch auf andere zu schließen, werden wir bereit sein, jeden Menschen so anzunehmen, wie er ist.
Denken in einer anderen Dimension
Solch ein Denken würde unsere Gemeinschaft positiv verändern und auch ein komplett anderes Bildungssystem hervorbringen. Ein Bildungssystem, in dem alle Menschen ihren Platz und ihre Entfaltung und Förderung finden. Auch Legastheniker, auch Hochsensible, auch Hochbegabte, Autisten, Asperger, körperlich Eingeschränkte, Hyperaktive, Zurückhaltende und Schüchterne, Impulsive, Nachdenkliche, Hochleister, Niedrigleister, strukturiert Denkende, kreativ Denkende, Homosexuelle, kulturell anders Geprägte, Mädchen, Jungs, und auch all diejenigen, die wir heute und vermutlich auch in Zukunft nicht wirklich kategorisieren werden können :-)