Vergangene Woche hielt ich zwei Vorträge zum Thema "Fehlt es der der Wirtschaft an Hochsensibilität?". Sowohl im Hospitalhof in Stuttgart als auch im Rotary Club Meerbusch kam das Thema sehr gut an und ich hatte große Freude an meiner Arbeit als Keynote Speaker. Es ist erfreulich: Die Hochsensibilität hält ganz langsam aber sicher Einzug in die Wirtschaft.
Zum Vortrag in Meerbusch: Die Rotarier – hauptsächlich Männer, wenige einzelne Frauen – stellten ein reines Businesspublikum dar. Führungskräfte, hauptsächlich Selbständige und Angestellte in mittlerer bis höherer Hierarchieebene, Mittelstand.
Ein gutes Drittel der Rotarier war sehr interessiert, knapp zwei Drittel waren mittelmäßig interessiert und kritisch, 1-2 Personen waren belustigt. Das stellt für mich einen sehr guten Schnitt dar. Ich vermute, dass auch einige Hochsensible anwesend waren.
Nach meinem kurzen Vortrag wurden erfreulich viele Fragen an ich gerichtet, erwartungsgemäß auch kritische. Und es war nicht zu überhören, dass für die meisten Anwesenden ein Highly Sensitive Business recht abstrakt anmutete, nicht vorstellbar war oder sogar abwegig erschien.
Gerade beim Thema "die eigenen Ideale verfolgen" und einen "sanften" – will heißen offenen und menschlichen Führungsstil im Business umzusetzen, war eine große Ratlosigkeit zu spüren. Einzig Ralph Jörgens, der mit mir meinen Film "HighSkills" finanzierte, meine Vision eines Highly Sensitive Business unterstützt und mich bei den Rotariern empfohlen hatte) meldete sich zu Wort und vertrat den Standpunkt, dass es sehr wohl möglich sei, ein hochsensibles Business zu führen. Ich danke ihm an dieser Stelle für dieses unterstützende und authentische Einbringen.
In der Tat: wir haben in der Gesellschaft – und so auch im Business – einen starken Werteverfall. Werte wie Ehrlichkeit, Integrität, Demut, Bescheidenheit waren noch vor Hundert Jahren eine Art Richtschnur des korrekten Verhaltens und Tuns. Wer heute den Anspruch kundtut, danach zu leben oder gar Business zu betreiben, gilt als weltfremd. Genau in diese Richtung gingen auch einige Kommentare und Fragen nach meinem Vortrag. Wer heute beruflich vorankommen will, ist ja im Gegenteil geradezu gezwungen seine Wertvorstellung ganz weit hintenanzustellen oder sogar aufzugeben.
Als Babies sind wir alle noch ehrlich, Babies können nicht anders. Aber bereits mit Eintritt in die Schule geht es los, dass wir uns gezielt verstellen, um etwas Bestimmtes zu erhalten, mit Spickzettel und Abschreiben vom Nebensitzer oder indem die Lehrerin, der Lehrer angeschwindelt wird, warum die Hausaufgaben nicht gemacht werden konnten. Und spätestens im Berufsleben ist dann endgültig Schluss mit ehrlich und wir lernen das professionelle Lügen: Der Rechner ist gerade ausgefallen, es ist leider kein Zimmer mehr frei, ich muss heute unbedingt früher gehen, weil meine Tochter…
Und wer eine Führungsposition übernehmen will hat das Spiel erst recht mitzuspielen, mit "kleinen" Betrügereien, wenn die Kennzahlen gefälscht werden und auch mit größeren, wenn bewusst Gesetze gebrochen werden, weil die Geschäftsleitung mit unrealistischen Vorgaben und Zielen die Belegschaft dazu drängt. Der Betrug wird zum Tagesgeschäft, am Kunden, an den eigenen Mitarbeitern und an sich selbst. Solche Praktiken ertragen Hochsensible nur sehr schwer. Bereits "harmlose" Tricksereien zum Zwecke eines kleinen Vorteils empfinden sie als Betrug. Und so ist verständlich, dass die meisten Hochsensiblen bewusst oder unbewusst in den mittleren oder auch untersten Hierarchieebenen "stecken" bleiben. Warum ist das so?
Bedingt durch ihre hohe Wahrnehmung speichern hochsensible Menschen in ihrem Gehirn unendlich viele Möglichkeiten und Szenarien ab. In Verbindung mit ihrem ausgeprägten Gewissen können sie dann gar nicht anders, als redlich und wahrheitsgetreu nach DEM Idealzustand oder DER Ideallösung zu streben, die sie klar vor Augen haben. Sie sind nicht im Stande zu schauspielern, solche Rollenspiele und Praktiken sind quasi in der "Programmierung" ihres Gehirns nicht vorgesehen. Machtkämpfe, strategische Spielchen oder übersteigerte Selbstdarstellungen sind ihnen zu wider. Deshalb verstehen sie auch nicht, wie andere (NichtHochsensible) guten Gewissens so agieren können.
Aber im Vergleich zu den Hochsensiblen sind NichtHochsensible einfach nicht in der Lage, einen anderen, als den derzeit üblichen und gängigen Weg zu sehen und zu gehen, um beruflich voranzukommen. Dafür wiederum sollten sie von Hochsensiblen nicht verurteilt werden, denn auch sie können nicht anders.
Mir drängt sich da wieder meine alte Überzeugung auf: Hochsensible gibt es deshalb, um die Spezies einer Art zu erhalten. Mit ihrer Weitsicht, mit ihren Überzeugungen, mit ihren Wertvorstellungen können Hochsensible ein anderes, ein besseres Business kreieren. Wie könnte das funktionieren?
Ihr ausgeprägtes Leistungsdenken bringt Hochsensible oft dazu, mehr, härter und besser als andere arbeiten zu wollen, also durch Leistung positiv aufzufallen. Doch das ist eine Sackgasse, die unweigerlich zur Überlastung führt. Die übersteigerte Selbstdarstellung und Machtspielchen kommen aus oben genannten Gründen nicht in Frage. Ich vermute es schon seit Jahren, und es kristallisiert sich für mich immer mehr heraus:
Hochsensible können nur durch Authentizität erfolgreich sein.
Ich erlebe es in meiner eigenen noch kurzen Laufbahn als "Jungreferentin": In meinen ersten Vorträgen war ich noch sehr mit meinen eigenen Emotionen beschäftigt und versuchte das (und natürlich die Emotionen) zu verbergen. Dadurch habe ich wohl auf mein Publikum sehr unnahbar und auch unsympathisch gewirkt haben. Meine Zuhörer konnten mich nicht richtig einschätzen, nahmen mich und meinen Vortrag womöglich als Bedrohung wahr und reagierten mit Abwehr. Glücklicherweise nicht wirklich aggressiv, Tomaten bekam ich bislang noch nicht ab :-)
Wir Hochsensiblen müssen uns immer vor Augen führen: Auch NichtHochsensible Menschen haben Gefühlswelten. Und jeder Mensch nimmt einen anderen Menschen eben auch auf dieser gefühlsmäßigen Ebene wahr. Es findet dann ein Abgleich statt: Stimmt die Außenwirkung des Gegenübers mit dessen Handlung und Kommunikation überein? Ist der oder diejenige harmlos oder bedrohlich für mich?
Bin ich als Hochsensibler nicht authentisch baue ich eine emotionale Schutzwand vor mir auf. So entsteht eine ungeklärte Situation und mein Gegenüber geht mir gegenüber in eine Hab-Acht-Haltung. Obwohl ich das gar nicht beabsichtigt habe. Diese Abwehrhaltung nehme ich als Hochsensibler natürlich sehr deutlich wahr und sie verunsichert mich um so mehr. Ein völlig unsinniger Kreislauf ist dann im Gange, so entstehen Missverständnisse, so entstehen Mobbingattacken, so entstehen nicht nachvollziehbare Fluchtrückzüge.
Mir war klar: Wenn das zum Dauerzustand wird kostet es mich sehr viel Kraft und Energie. Diese wollte ich sinnvoller einsetzen und synchronisiere jetzt mein "Innen", meine Wahrnehmungen und Stimmungen mit meinem "Außen", meinem Verhalten, meiner Kommunikation, meinen Handlungen. Und seitdem hört man mir gerne zu, was ich zu sagen habe.
Das Interesse der Wirtschaft an Hochsensibilität nimmt zu, das ist erfreulich und von mir beabsichtigt. Ich freue mich auf jeden weiteren Vortrag, den ich zu diesem Thema halten kann. Ich freue mich über jeden neuen Kunden, den ich bei der Synchronisation von Innen und Außen unterstützen kann. Denn dann weiß ich, es gibt einen Hochsensiblen mehr, der gute Chancen hat in die oberen Führungsetagen zu gelangen. Und genau dort werden Hochsensible dringend gebraucht. Es braucht ein paar "Vorkämpfer", die in den Chefetagen Werte wie Ehrlichkeit, Demut, Integrität etablieren, so dass die Arbeitsbedingungen allgemein menschlicher werden.
Das würde nicht nur hochsensiblen Erwerbstätigen zugute kommen.
Mit Freude und Respekt, Eure Businesskünstlerin Mona Suzann Pfeil
Mehr Info über Hochsensibilität auf meiner Homepage
Zur Filmseite "High Skills – verschenkt die Wirtschaft die Potenziale hochsensibler und hochbegabter Menschen?"
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